Erschienen am: 22.04.2017
Zeitung: Nordkurier
Redakteur: Martin Lindner
Rollstuhl-Hockey als Lebenselixier
Auch schwerstbehinderte Menschen können Leistungssport treiben. Das zeigen die Elektrorollstuhl-Hockey-Spieler der Nording Bulls aus Lalendorf. Sie gehören zu den besten Mannschaften des Landes. Für viele der Athleten ist es mehr als nur Sport.
Berlin. „Papa, schieß!“, ruft der dreijährige Oskar aufgeregt seinem Vater zu, der im Elektro-Rollstuhl vor dem gegnerischen Tor steht, den Schläger in der Hand. Silvio Grubert, im grünen Trikot, holt aus und zieht ab. Der weiße Plastikball landet im zwanzig Zentimeter hohen Tor. Wieder einmal. Im Nordcup in Berlin, wo Teams aus dem Nordosten gegeneinander antreten, sind die Nording Bulls Lalendorf aus Mecklenburg-Vorpommern die dominierende Mannschaft.
Silvio Grubert ist 27 Jahre alt. Der Vater von drei Kindern (zwei, drei und fünf Jahre) leidet an der Glasknochenkrankheit und ist deshalb auf den Rollstuhl angewiesen. Powerchair-Hockey (Elektrorollstuhl-Hockey) zu spielen, ist für ihn nicht gefährlich. In seinem Elektro-Rollstuhl, der 6000 Euro gekostet hat, ist er gut geschützt. Zudem ist Powerchair-Hockey ein kontaktloser Sport – das heißt, die Elektro-Rollstühle der Spieler sollen sich nicht berühren.
Sport für die Aktiven willkommene Abwechslung
Die Geschwindigkeit macht für Silvio Grubert den Reiz in diesem Sport aus. In der ersten Bundesliga dürfen die E-Rollis bis zu 13 km/h schnell fahren. Außerdem gefällt es dem Rostocker, zu den Turnieren zu reisen. Dahin darf er zumeist auch seine Kinder mitnehmen.
Die Reisen zu Wettkämpfen machen auch Anna Schütz, 28 Jahre, glücklich. Die Berlinerin spielt für die „Bullen“ in der ersten Bundesliga. „Wir sind alle zusammen in der Unterkunft. Man lernt viele Leute kennen, mit gleichen Schicksalen und kann sich untereinander austauschen“, erzählt sie. Das Gewinnen bei Wettkämpfen rückt dabei für sie in den Hintergrund. „Ich spiele wegen des Gefühls“, sagt sie. Anna Schütz hat Muskeldystrophie, ein seltener, erblich bedingter Muskelschwund.
Trotz der schweren Erkrankungen, an denen die Spieler leiden, ist Powerchair-Hockey die einzige Möglichkeit, die Menschen wie Silvio Grubert und Anna Schütz haben, um Sport zu treiben, sagt Nording Bulls-Trainer Dirk Kahl. Powerchair-Hockey steigere ihre Lebensqualität erheblich. Traurig macht es ihn, wenn er sieht, wie die Kräfte seiner Spieler mit der Zeit schwinden. Er spricht mit belegter Stimme von Christopher Beß, 17 Jahre alt, der stets eine Schirmmütze trägt. „Am Anfang, mit 13, war er noch kräftiger“, sagt er.
Dirk Kahl möchte Powerchair-Hockey jedoch nicht als „Mitleidsport“ sehen. Schließlich gehe es hier, wie in jedem anderen Sport, um Leistung. Insbesondere bei wichtigen Wettkämpfen achtet er streng darauf, nur die besten seiner Spieler aufs Feld zu schicken. Schon im Training bemüht er sich, das Team auf einen erfolgreichen Kurs zu bringen. „Ich sehe jeden Spieler einzeln und versuche das Potenzial zu wecken, das in jedem von ihnen steckt.“
„Elektrorollstuhl-Hockey war sein Leben. Es war toll, dass er den Sport hatte“, sagt Manuela Manzke über ihren Sohn Paul, der 2015 im Alter von 29 Jahren verstorben ist. Die Krankheit, die ihn schon so früh aus dem Leben riss: Muskeldystrophie.
Verein wird zur Herzensangelegenheit
Im Jahr 2001 hat Paul bei den Nording Bulls angefangen – Höhen und Tiefen zusammen mit der Mannschaft erlebt. Manuela Manzke war immer dabei. Auch nach dem Tod ihres Sohnes hat sie sich entschlossen, das Team weiter zu unterstützen – unter anderem als Schiedsrichterin. „Für mich ist das eine Herzensangelegenheit“, sagt sie.
Die Beziehung zu seinen Spielern bezeichnet Dirk Kahl als ein Geben und Nehmen. Er engagiert sich als Trainer der Bulls über Gebühr, opfert seine Freizeit, zum Beispiel für die Organisation und Suche nach Sponsoren. Andererseits profitiert er von der Mannschaft. „Wenn ich die Spieler nicht hätte, würde ich in ein Loch fallen. Wenn ich mich nicht gut fühle, baut es mich auf, die Spieler zu sehen.“
Am 29. April findet übrigens der dritte Spieltag der ersten Bundesliga in Ludwigshafen statt. In der Tabelle belegen die „Bullen“ aus MV aktuell Platz zwei.
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